Es gibt Themen, über die wird in Pflegeeinrichtungen kaum gesprochen – obwohl sie jeden Tag vorkommen. Sexualität im Alter ist eines davon. Dabei wäre gerade hier mehr Offenheit so wichtig: für die Menschen, die begleitet werden, und für die, die sie begleiten.
Es war irgendwann 2015, als uns eine Pflegeeinrichtung kontaktierte – ganz unspektakulär per Anruf. Eine unserer Kolleginnen nahm das Gespräch entgegen. Es ging um ein Treffen, man wolle sich mal austauschen, es gebe ein „spezielles Thema“.Erst nach einigem Zögern vor Ort wurde deutlich, worum es ging: Sexualität in Pflegeeinrichtungen. Ein Bereich, über den selten offen gesprochen wird – selbst unter Pflegefachkräften. Und genau das spiegelte sich im Gespräch wider.
Als ich zusammen mit meiner Kollegin zur Einrichtung fuhr, erwarteten uns vier Frauen – aus Pflege, Betreuung und Einrichtungsleitung. Man merkte sofort: Es war nicht leicht, das auszusprechen, was sie auf dem Herzen hatten. Erst zögerlich, dann mutiger schilderten sie uns ihre Realität: Bewohner:innen, die auch im Alter sexuell aktiv sind. Situationen, in denen Grenzen überschritten werden – gegenüber anderen Bewohner:innen, aber auch dem Personal. Und vor allem: der Versuch, etwas zu bewältigen, wofür es noch wenig Fachwissen, klare Abläufe und eine Sprache gibt, die nicht tabuisiert.
Überforderung im Alltag
Sie berichteten von Fällen, in denen Menschen mit Demenz ihre Sexualität ungefiltert auslebten – auch in der Öffentlichkeit. Sie erzählten offen von ihrer Unsicherheit im Umgang mit solchen Situationen und oft auch Überforderung im Alltag. Erste Impulse, sich dem Thema professionell zu nähern, kamen durch eine Schulung, an der zwei Kolleginnen teilgenommen hatten. Da war dann klar: Dieses Thema braucht mehr Aufmerksamkeit – und vor allem mehr Wissen und Austausch im Team.
Besonders eindrücklich war für mich eine Szene: Die Einrichtung hatte mehrfach Situationen erlebt, in denen Bewohner:innen Alltagsgegenstände zweckentfremdeten – als Ersatz für sexuelle Hilfsmittel. Einmal war sogar ein Stuhlbein im Spiel, mit dem sich jemand verletzt hatte. Das brachte das Thema auf eine neue Ebene: Es ging nicht mehr nur um ein Tabuthema, sondern um körperliche Unversehrtheit, um Schutz, um Prävention.
Die zentrale Frage der Einrichtung war: Könnten wir als BringLiesel nicht ein Sortiment zusammenstellen, das diesen Bedürfnissen gerecht wird – diskret, sensibel, angepasst an die Lebenswelt in Pflegeeinrichtungen? Es ging um Sexspielzeuge, aber auch um Zubehör wie Gleitgel, Kondome, Batterien, Hörbücher und Zeitschriften und Aufbewahrungsmöglichkeiten – und um die Frage: Wie können wir das alles so gestalten, dass es nicht stigmatisiert wird?
Würde und Respekt
Ein wichtiges Anliegen war dabei: Diskretion. Niemand wollte, dass ein Paket mit Aufdruck „Erotikshop“ in der Einrichtung für Gesprächsstoff sorgt. Und vor allem: Angehörige sollten nicht mit der Nase draufgestoßen werden, wenn sie zufällig eine Schublade öffnen oder eine Rechnung von der BringLiesel sehen, wo der Produktname steht. Die Einrichtung wünschte sich neutrale Bezeichnungen – „Entspannung“ statt expliziter Begriffe – und unauffällige Verpackungen. Es ging nicht nur um Produkte, sondern um Würde und um Respekt.
Also haben wir angefangen zu recherchieren. Wir haben uns gefragt: Was ist geeignet? Was ist alltagstauglich, auch in der Pflege? Gibt es überhaupt Produkte, die auf ältere Menschen zugeschnitten sind? (Spoiler: kaum.) Gemeinsam mit der Einrichtung haben wir ein kleines Sortiment zusammengestellt – mit einer Bandbreite von klassischen Toys über erotische Hörbücher bis zu Massageölen. Diskret verpackt, unter neutralem Namen gelistet.
Wir haben das Ganze testweise für einzelne Einrichtungen freigeschaltet, mit einem separaten Katalog. Das Ergebnis war – ehrlich gesagt – ernüchternd. Die Rückmeldungen reichten von verhaltenem, peinlich berührtem Schweigen bis hin zu einem schnellen Themenwechsel – man merkte deutlich, dass schon die bloße Frage viele überforderte. Andere zeigten zwar Interesse, wollten aber nicht die Person sein, die das Thema intern zur Sprache bringt. Zu groß war wohl die Sorge, damit unangenehm aufzufallen. Offene Ablehnung gab es nie, aber deutlich spürbar war: Das Thema ist mit vielen Hemmschwellen belegt.
Besonders deutlich wurde das, wenn wir das Thema aktiv bei potenziellen Neukund:innen ansprachen. Viele sagten: „Ja, das gibt’s bei uns auch.“ Aber genauso oft folgte dann: „Bestellen werden wir trotzdem nichts.“ Nicht, weil sie das Thema für überflüssig hielten – sondern weil viele schlicht nicht wussten, wie sie es im Team ansprechen sollten. Zu groß war die Unsicherheit, auf Kolleg:innen zu stoßen, die damit nicht offen umgehen können. Und noch größer war die Sorge, sich vor Angehörigen rechtfertigen zu müssen. Der Wille, etwas zu verändern, war da – der Rahmen dafür fehlte.“
Mut und Offenheit
Und doch hat mich eines beeindruckt: Die Offenheit, mit der die Pflegekräfte das Thema behandelten, hat mich beeindruckt. Sie hatten den Mut, sich einem schwierigen Feld zu stellen – und sogar mit Externen, also mit uns, offen darüber zu sprechen. Sie haben recherchiert, Verantwortung übernommen und waren auf der Suche nach Lösungen. Nicht für sich selbst, sondern für die Menschen, die sie begleiten. Und das ist für mich gelebte Pflege – im besten Sinne.
Heute, Jahre später, freue ich mich sehr über die Broschüre der Korian Stiftung. Sie nimmt das Thema Sexualität im Alter auf und macht es zum Gegenstand professioneller Diskussion. Wir bei BringLiesel haben entschieden, dieses Engagement zu unterstützen: Unsere Bestandskund:innen finden die Broschüre ab sofort auf unserer Einkaufsplattform – sie kann dort kostenfrei bestellt werden.
Vielleicht ist jetzt der richtige Moment, das Thema noch einmal neu zu denken. Ohne Scham, ohne Spektakel, aber mit Respekt und Menschlichkeit. Denn Sexualität ist kein Sonderwunsch – sie ist Teil unserer Identität. Und nur weil wir im Alter seltener darüber sprechen, verschwindet sie nicht.
Wenn dieser Beitrag etwas bewirken soll, dann vielleicht das: den Mut zu stärken, das Thema nicht weiter zu verschweigen. Denn Offenheit ist kein Risiko – sie ist der erste Schritt zu einem würdevollen Umgang mit einem ganz normalen Teil des Menschseins.
Autor: Christoph Gukelberger

Jetzt neu im Sortiment
Aus der Kooperation mit der Korian Stiftung heraus hat BringLiesel entschieden, das Thema Sexualität im Alter nicht nur informativ, sondern auch praktisch aufzugreifen: In einem sensibel kuratierten Testsortiment werden ab sofort einige ausgewählte Sexspielzeuge angeboten, die den Bedürfnissen älterer Menschen gerecht werden. Zusätzlich gibt es diskrete Verpackungsmöglichkeiten.